Berner Zeitung vom 07.01.2003 - Stadt Bern - s.19
Reformierte Kirche vor dem WEF
Diskussion statt Demonstration
Der Synodalrat der reformierten Kirche hält an seinem
Redeverbot fest: Die Fachstelle Oeme darf auch heuer nicht an den
Veranstaltungen gegen das Weltwirtschaftsforum in Davos (WEF) teilnehmen.
Bernhard Ott
Basis und Führung der reformierten Kirche Bern-Jura sind
sich in Sachen Weltwirtschaftsforum (WEF) nach wie vor uneinig.
Die kirchliche Basis nimmt gemeinsam mit globalisierungskritischen
Organisationen an der Veranstaltungreihe «Perspektiven nach
Davos» teil (siehe Kasten). Der Synodalrat schliesst eine
Teilnahme kirchlicher Organisationen aber nach wie vor ausdrücklich
aus.
«Wir, Attac und Anti-WTO-Koordination verfolgen gemeinsam
starke Ziele», sagte gestern Irene Meier von der städtischen
Kommission für Ökumene, Mission und Entwicklungszusammenarbeit
gegenüber den Medien. Die Oeme-Kommission als Basisgremium
ist nicht zu verwechseln mit der offiziellen Fachstelle Oeme. Der
Synodalrat hatte Letzterer die Teilnahme an den Anti-WEF-Veranstaltungen
vor einem Jahr untersagt, nachdem ein Mitarbeiter den Dialog mit
dem WEF als «sinnlos» bezeichnet hatte.
Verbot bleibt in Kraft
Synodalratspräsident Samuel Lutz nimmt dies gelassen: «Ich
lasse mir meine Politik nicht von der Oeme-Kommission diktieren»,
sagt er auf Anfrage. Im Übrigen halte der Synodalrat für
die Anti-WEF-Veranstaltungen 2003 am Teilnahmeverbot für offizielle
kirchliche Stellen fest. Auch eine vor Jahresfrist eingereichte
Petition, welche die Aufhebung der Sanktionen gegen die Fachstelle
Oeme verlangt, ist für Lutz erledigt: «Wir haben uns
zu einer Aussprache getroffen.» Für die Petitionäre
ist das Treffen jedoch nicht genug. Sie warten nach eigenen Angaben
noch heute auf eine Antwort.
Der Synodalrat hat der Fachstelle Oeme mittlerweile den Auftrag
gegeben, die Haltung der Kirche zur Globalisierung in einem Grundlagenpapier
zu erarbeiten. Das Problem der Gewalt muss darin gemäss Lutz
eine grosse Rolle spielen. «Organisationen wie die Attac schliessen
Gewalt an Demonstrationen ja nicht aus.» Die Basisleute von
der Oeme-Kommission sind da anderer Meinung: Die Gewalt, die von
einzelnen Demonstrationsteilnehmern ausgehe, sei «harmlos»
verglichen mit der «strukturellen Gewalt» von Gremien
wie der Welthandelsorganisation (WTO).
Politik statt Gewalt
«Mir ist auch klar, dass die wirtschaftliche Gewalt die Dritte
Welt am kürzeren Hebel stehen lässt», kontert Samuel
Lutz. Das Problem sei aber, wie die Kirche auf diese «strukturelle
Gewalt» reagiere. Für den Synodalratspräsidenten
ist klar, dass dies nur durch «Stärkung der Politik»
möglich ist. Diesem Zweck diene letztlich eben auch das Grundlagenpapier,
das die Fachstelle Oeme bis im April vorlegen soll. Ob die Fachstelle
2004 an den Anti-WEF-Veranstaltungen teilnehmen darf, ist unklar:
«Das kann ich heute nicht sagen», erklärt Samuel
Lutz.
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6000 Schuhe als Symbol
«Wir setzen heuer mehr auf Diskussionsanstösse statt
Information», sagte Lis Füglister von Attac Bern bei
der gestrigen Präsentation von «Perspektiven nach Davos».
Im Münster referiert am Donnerstag, 9. Januar, 19.30 Uhr, Konrad
Raiser, Generalsekretär des ökumenischen Rats der Kirchen,
über friedliche Antworten auf die Globalisierung. Weitere Veranstaltungen
wie «Kreatives Transparent-Malen» sind der Vorbereitung
der Anti-WEF-Demo in Davos vom 25. Januar gewidmet. Am Mittwoch,
22. Januar, 17 Uhr, erinnern 6000 Paar Schuhe auf dem Bundesplatz
an die Menschen, «die während der Dauer des WEF allein
in Kolumbien gewaltsam vertrieben werden». Weitere Informationen
unter www.perspektivennachdavos.tourdelorraine.ch
oder www.oltnerbuendnis.ch.
bob
Original
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